Patientenbericht

Reflexion Crashkurs Verhaltenstherapie bei Dipl. Psychologe Marcus Lösch

Montag
Ausgangslage:
Seit meinem Zusammenbruch sind über zwei Wochen vergangen. Meine Probleme haben sich seither kaum verändert, es droht Resignation. Die Symptome wie Anspannung, Appetitlosigkeit, Engegefühl und Schmerzen im Brustkorb, Schwäche- und Schwindelgefühl, trockener Mund und Übelkeit scheinen sich zu manifestieren. Ein Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit stellt sich ein. Der Hausarzt hatte bisher Schonung, mehr Bewegung und Krankengymnastik verordnet und kann keine organischen Ursachen für
meine missliche Lage finden (Gott sei Dank!?).
Gemeinsam mit meiner Frau beschließe ich, dass ich professionelle Hilfe brauche- das Experimentieren mit Tröpfchen und Pülverchen will ich mir nicht antun. Ich will wissen, was wirklich mit mir los ist, will wieder auf die Beine kommen. Ich kenne Sie von den vielen psychologischen Vorträgen, welche Sie in
unterschiedlichen Orten gehalten haben. Also rufe ich am Montagmorgen in Ihrer Praxis an. Anrufbeantworter – sie melden sich baldmöglichst zurück. Ok, das war vorauszusehen – jetzt heißt es
abwarten. Kaum eine Stunde später rufen Sie zurück- ich bin gerade unterwegs zum Hausarzt, der mich mal wieder krank schreiben wird und der richtig erleichtert ist, dass ich bereits die Initiative in Richtung psychologischer Hilfe ergriffen habe. Weitere zwei Stunden später sitze ich bei Ihnen mit mulmigem Gefühl im Wartezimmer…
1. Sitzung:
Es geht erst mal um Formalitäten und um Ihre Arbeitsweise und nicht um mich- im Nachhinein finde ich das gut, in der Situation hatte ich etwas anderes erwartet. Wir kommen dann doch noch zu meinen Problemen. Ich schildere Ihnen die Geschehnisse der letzten zwei Wochen, sie zeigen mir den Verlauf
der Angstkurve auf, referieren über unterschiedlich hohe Anspannungsniveaus (das klingt für mich einleuchtend) und geben mir zwei Sätze mit: „Angst ist endlich“ (daran habe ich zu diesem Zeitpunkt so meine Zweifel) und: „So schnell stirbt man nicht“ (das kann ich wiederum bestätigen…).
Als Hausaufgabe fülle ich bis zur nächsten Sitzung zwei Fragebögen aus.
Zu Hause berichte ich von meinen ersten Erfahrungen beim Psychotherapeuten: Keine Couch, kein Kräutertee, keine Seelenmassage- dafür klare sachliche Ansagen: Der Therapeut trägt „nur“ die Verantwortung für die Prozesssteuerung für den Inhalt und somit für den Erfolg trage alleine ich die Verantwortung. Transparenz ist oberstes Gebot, na dann los…
Dienstag
2. Sitzung:
Die mehrstündige Auseinandersetzung mit den Fragebögen hat schon erste wichtige Erkenntnisse für mich zu Tage gefördert. Ich habe das Gefühl das erste Mal so richtig über mich und meine Biographie nachgedacht zu haben. Allein das Nachdenken über mich als Person, lenkt den Blick weg von der momentanen Situation, weitet den Horizont, schafft schon ein Stück mehr Klarheit.
Während unseres Gesprächs greifen Sie einzelne Aspekte aus meinen schriftlich formulierten Antworten heraus, wollen mehr wissen. Ich muss deshalb meine Gedanken in Worte fassen und aussprechen- ein weiterer Schritt zur inneren Klärung. Ich habe anschließend das Gefühl, wichtige Dinge losgeworden zu
sein, sie einmal ausgesprochen zu haben. Dinge, die zwei Tage zuvor noch gar nicht im Bewusstsein waren, aber die es doch wert sind, gedacht zu werden. Ihr Feedback zeigt mir, Sie haben verstanden; das bin ich.
Im Anschluss an unsere Sitzung fülle ich im Wartezimmer noch eine Stunde lang weitere Testbögen aus.
Dann fahre ich mit Kopfschmerzen nach Hause: Am Vormittag das Ausfüllen der Fragebögen- dann unser Gespräch- dann noch mal Fragebögen. An diesem Tag habe ich mich knapp fünf Stunden mit mir und meiner Psyche beschäftigt. Das war anstrengend- aber gut! Für heute reicht’s…
Aufgabe für die nächste Sitzung ist das Erstellen einer Angsthierarchie und eines persönlichen Funktionsmodells.
Abends gehe ich zur Chorprobe und habe Spaß!
Mittwoch
3. Sitzung:
Die täglichen Gespräche strukturieren meinen Tagesablauf: Vormittags die Bearbeitung der Aufgaben vom Vortag, (nach-)mittags unsere Sitzungen, hinterher zu Hause erzählen. So bin ich bereits den dritten Tag mehr oder weniger komplett mit mir beschäftigt.
Die Aufstellung der Angsthierarchie zeigt mir, wie sich in gut zwei Wochen ein ganzes Arsenal an negativen Gedanken in mir eingenistet hat. Heute lerne ich das A-B-C- Modell kennen. Es kommt eben auf das „Vitamin B“ an- hier nicht Beziehungen, sondern Bewertungen. Was geht in meinem Kopf ab? Wer hat die Hände am Steuer? Auf welches Team setze ich? An der 3:1 Regel habe ich erst mal zu knabbern.
Das kommt mir sehr konstruiert und bemüht vor: Einen negativen Gedanken mit drei positiven zu kontern. Mir würde für den Anfang ja schon ein positiver Gedanke reichen… das fällt mir spontan schwer und klingt mir zu psychologisch. Nach dieser Sitzung habe ich das Gefühl, keinen so großen Schritt nach vorne gemacht zu haben. Gleichwohl ahne ich, dass das eine wichtige Stellschraube hin zur Bewältigung meiner Probleme ist. Bis zur nächsten Sitzung arbeite ich realistische und bewusst positive Strategien und Reaktionen zu den einzelnen Ängsten meiner Angsthierarchie aus und trainiere die 3:1-Regel samt Perspektivenwechsel.
Abends besuche ich den Gottesdienst und fühle mich gut!
Donnerstag
4. Sitzung:
Der Durchhänger vom Mittwoch animiert mich vormittags zum Selbststudium. Der Leitsatz „Kognition steuert Emotion“ wird für mich dabei plausibler. Mir wird bewusst, dass durch die starke Fokussierung auf meine körperlichen Symptome, diese nur verstärkt werden. Ich stoße auf den Kreislauf der Angst.
Das Schaubild und die Erläuterungen verdeutlichen mir, dass ich wirklich Einflussmöglichkeiten habe.
Ich schreibe mir wichtige Sätze der letzten Tage auf- getreu dem Motto „was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen“- oder besser noch mit sich herum tragen. So entstehen meine kleinen grünen Merkkärtchen.
In unserem Gespräch vereinbaren wir, dass künftig immer zwei dieser Kärtchen für jeweils zwei Tage mein Tagesmotto werden. Wir gehen meine Strategien/ Reaktionen gegen meine Ängste durch. Vom Traubenzucker über Fenster öffnen bis hin zum Getränk mit Vitamintablette wird’s dabei auch richtig handfest. Wir üben die Technik der „Lippenbremse“ als Entspannungsverfahren für zwischendurch ein und sprechen über die progressive Muskelentspannung als Möglichkeit, das Anspannungsniveau schon zu Hause abzusenken, um die Angstspitzen vermeiden bzw. handeln (denglisch) zu können. Wir entlar
ven den schwäbischen Pessimismus („Besser nichts erwarten, um nicht enttäuscht zu werden“) als nicht zielführend. Der Hinkelstein von Obelix ist künftig mein Symbol, das mich an Ruhe, Stärke und Gelassenheit erinnern soll.
Wir vereinbaren einen Testlauf für das Wochenende: Ich suche meine Arbeitsstelle auf und trainiere die besprochenen verhaltenstherapeutischen Mechanismen im realen Arbeitsumfeld. Am Montag geht’s dann definitiv wieder los! Ich vermeide die Vermeidung, weil ich das schaffe!
(Zwischen-)Fazit
Hinter mir liegen vier sehr lehrreiche Tage, die mich in der intensiven Auseinandersetzung mit mir selbst weiter gebracht haben. Die rationale Aufarbeitung meiner scheinbar unabänderlichen Situation hat mir geholfen, das Heft des Handelns wieder in die Hände zu bekommen.
Die täglichen Sitzungen gaben dieser Entwicklungen einen wohltuenden „Flow“. Es ging voran, Veränderungen waren jeden Tag spürbar. Der Angst und den negativen Gedanken konnte ich jeden Tag ein Stück mehr den Sauerstoff (= das Irrationale) abdrehen- ich wurde Stück für Stück handlungsfähiger und
fühle mich heute nicht mehr wie gelähmt.
Ich bin froh, dass wir die Therapie zeitlich so gerafft angegangen sind. Zwischenräume von mehreren
Tagen/ einer Woche hätten bei mir vermutlich zu einer Abschwächung der positiven Wirkung der einzelnen Sitzungen geführt. Die Angst hätte zu viel Zeit gehabt, wieder Atem zu holen. So konnte sich die positive Wirkung unserer Gespräche Tag für Tag verstärken. Der Angst ging’s an den Kragen. Damit geht
auch eine deutliche Verbesserung der körperlichen Symptomatik einher. Es ist noch nicht alles wieder in Butter, aber ich arbeite daran…(Rückschläge eingeschlossen).
So habe ich am Ende dieser Woche das Gefühl, dass ich die Tage der Krankschreibung sehr effektiv nutzen konnte und dass ich heute anders und besser aufgestellt bin, als zu Beginn der Woche